Milena Glimbovski ist Unternehmerin, Sprecherin, Autorin, Klima-Aktivistin und steht für Female Empowerment. Sie ist eine Macherin. Das liegt, wie sie selbst sagt, auch an ihrem ADHS und ihrer kurzen Geduldsspanne. Bei allem, was sie tut, ist es Milenas Ziel, ein soziales und gerechtes Umfeld zu schaffen. Wir haben ihr sieben Fragen zu den Themen Unternehmer:innentum, Recruiting und People Bereich gestellt.
Milena, du hast bereits mehrere Unternehmen gegründet. Welche Phase gefällt dir dabei besonders gut?
Am besten gefällt mir die Ideenentwicklung und diese allerersten Schritte. Wo man gerade in die Umsetzung kommt und guckt: Was klappt, was klappt nicht? Auch das Recherchieren und sich in ein Thema einfinden. Durch mein ADHS geht dabei mein Hyperfokus an und ich kann mich dann stunden- oder wochenlang in einem Thema verlieren. Dieses Anfangsstadium mag ich richtig gerne. Ich könnte hauptberuflich „Starterin“ werden.
Dir werden viele Projekte angeboten. Wie entscheidest du dich für eines – und warum?
Das Erste, was ich sage, ist: „Ich muss da eine Nacht drüber schlafen.“ Immer, wenn etwas an mich herangetragen wird, bin ich nämlich ganz schnell begeistert. Selbst wenn ich sofort zusagen möchte, muss ich eine Nacht drüber schlafen. Am nächsten Tag sage ich dann meistens doch nein. Wenn ich doch ja sage, dann, weil mich die Idee ein paar Tage nicht losgelassen hat und ich mich deshalb damit befassen möchte.
Ich habe eine Art Kriterienkatalog für mich entwickelt. Wenn ich Anfragen bekomme, gehe ich diesen durch. Er besteht aus den Fragen:
- Passt das zu meinen Lebenszielen? Also ist es etwas, das langfristig auf die Sachen einzahlt, die mir wichtig sind?
- Ist es etwas, das zu meinen Werten passt, weil es sehr sozial oder sehr umweltfreundlich ist?
- Was für einen Impact hat das? Kann das richtig was bewegen?
Wenn ich alle Fragen mit ja beantworten kann – oder ein Punkt ist ein besonders starkes Ja –, dann würde ich es machen. Eine Anfrage oder ein Projekt muss also einen Mehrwert haben oder zu meinen Werten passen.
Was ist dir im Recruiting besonders wichtig?
Eine Eigenschaft, die für mich immer alles übertrifft: die Person hat Bock zu lernen und sich zu entwickeln. Das ist mir pauschal und egal, bei welcher Stelle wichtig. Die Firmen, die ich gegründet habe, hatten immer eine sozialen oder ökologischen Mehrwert. Da gab es viele Bewerbungen. Gerade wegen des Impacts, der mir sehr wichtig ist, muss eine Person, die ich einstelle, richtig leidenschaftlich sein und dafür brennen. Sie sollte den Job also nicht nur als Nebenjob oder Broterwerb sehen. Das war mir schon immer wichtig. Das merkt man dann auch an der Leistung.
Ich habe jung gegründet und früher Leute eingestellt, die mir sympathisch waren. Heute weiß ich: Ich muss keine Freund:innen einstellen. Es geht nicht darum, dass ich jemanden besonders mag oder sympathisch finde. Sondern darum, dass ich denke: Die Person ist kompetent für den Job und passt ins Team. Das ist wichtiger.
Gleichzeitig hat man auch ein Bauchgefühl. Oft kann ich nicht den Finger drauf legen, was das Problem ist. Aber meine Erfahrung mit dem Bauchgefühl ist: Immer darauf hören. Früher oder später wird das Problem sichtbar. Es gibt immer einen Grund für ein Bauchgefühl. Dabei sollte man sich aber jederzeit der eigenen Vorurteile bewusst sein, die man hat. Ganz besonders, wenn man einem Menschen gegenübersitzen, die oft Diskriminierung erfahren. Es ist wichtig, im Einstellungsprozess reflektiert zu sein und bewusste Entscheidungen zu treffen.
Buchtipp
„In dem Buch ‚Thinking, Fast and Slow‘, das der Nobelpreisträger Daniel Kahnemann geschrieben hat, wird das Bauchgefühl auch thematisiert. Die Essenz des Buches ist so ein bisschen: Man soll auf sein Bauchgefühl hören, bei Themen, bei denen man Erfahrung hat. Und bei Themen, bei denen man keine Erfahrung hat, sollte man auf gar keinen Fall auf sein Bauchgefühl hören. Wenn man mit vielen Menschen gearbeitet und viele Menschen eingestellt hat, dann entwickelt man nach und nach dieses Bauchgefühl.“
Daniel Kahnemann: Thinking, Fast and Slow.(Die deutsche Übersetzung ist unter dem Titel „Schnelles Denken, langsames Denken“ erschienen.)
Was macht für dich ein gutes Team aus?
Ein gutes Team geht vertrauensvoll und respektvoll miteinander, mit seinen Schwächen und Ressourcen um – und es zeigt Einsatz. Es ist eine gesunde Mischung aus Respekt, Verletzlichkeit und Vertrauen. Das sind so die drei wichtigen Eigenschaften, die das Arbeiten schön machen.
Was bedeutet Diversity in Teams für dich?
Vor ein paar Jahren haben wir als Team ein Training zum Thema Rassismus-Sensibilisierung bei Josephine Apraku gemacht. Ich dachte damals, ich sei relativ aufgeklärt, aber nach diesem Workshop konnte ich ganz genau erklären, warum ich doch oft sehr rassistisch bin. Ich kann wirklich allen empfehlen, so einen Workshop zu machen. Ich habe dabei sehr viel gelernt.
Wir haben beim Training bewusst angesprochen, dass wir ein sehr homogenes Team sind, das gerne diverser sein würde. Daraufhin haben wir einige Tipps bekommen. Zum Beispiel, dass wir in unseren Ausschreibungen explizit darauf aufmerksam machen, dass wir Diversität möchten. Es geht also darum, nicht nur zu schreiben „Wir stellen ein“, sondern auch konkret zu werden.
Ein weiterer Tipp ist, Stellengesuche in Magazinen zu platzieren, die eine diverse Leserschaft haben. Die Aussage „Bei uns hat sich niemand gemeldet“ zählt nicht. Man muss auch aktiv etwas dafür tun, diverser zu werden und beispielsweise Menschen mit Behinderung, BIPOC oder Migrationshintergrund Chancen zu geben, die ihnen sehr oft verwehrt werden. Diese Fortbildung haben wir vor Jahren gemacht und ich merke, dass sie uns heute noch etwas bringt.
Was hast du als Unternehmerin bzw. Führungsperson erst lernen müssen?
Ich weiß noch, als ich angefangen habe zu führen, war es mir unangenehm, Arbeitsanweisungen zu geben. Das hat sich immer angefühlt wie Befehl. Aber durch Übung gemeinsam mit einer Coachin habe ich gelernt, das anders zu sehen. Das hat mir damals geholfen.
Auch unangenehme Dinge anzusprechen und die Stille danach auszuhalten, musste ich erst lernen. Aber es tut sehr gut, wenn Dinge auf den Tisch kommen. Das ist alles Übungssache. Mir ist es wichtig, ein soziales und gerechtes Umfeld zu schaffen. Auch wenn das bedeutet, dass ich mal unangenehme Sachen aussprechen und die Stille danach aushalten muss. Das muss man in der Führung – gerade als Frau in der Führung – wirklich lernen.
Wie beeinflusst du die Teamdynamics in deinem Unternehmen?
Wir haben Tools wie wöchentliche Jour Fixes oder Slack und Co., um uns auf dem Laufenden zu halten. Gerade montags beim Jour Fixe versuchen wir alle dabei zu sein. Das ist wichtig, weil Homeoffice bei uns Standard ist. Dass dann alle zusammenkommen, ist einfach krass gut fürs Teamgefühl. Das sind immer die schönsten Tage, auch wenn man genau dann am wenigsten schafft.
Also wir bei Original Unverpackt innerhalb von zwei Monaten von 20 auf 32 Mitarbeitende gewachsen sind, haben wir ein Teamcoaching gemacht. Das war super, daran haben sich alle noch lange erinnert. Hier haben wir gemeinsam daran gearbeitet, unsere Werte zu definieren und darauf zu schauen, was wir aneinander wertschätzen. Sich einmal diesen Tag zu nehmen und dafür die Läden geschlossen zu halten, war sehr wertvoll. Wir haben die typischen kleinen Teamfindungsübungen gemacht, uns zum Beispiel gegenseitig Post-its mit Komplimenten auf den Rücken geklebt und sowas. Das hat tatsächlich mehr gebracht als jedes gemeinsame Mittagessen. Das war wirklich wichtig.
Ansonsten hatten wir bei Original Unverpackt auch jährliche Strategiemeetings, wo das ganze Team dabei war, sowie Quartalsmeetings nur mit den Führungskräften. Da ging es darum, was wir im vergangenen Quartal bzw. Jahr erreicht haben und was wir uns für das kommende Quartal bzw. Jahr. vornehmen. Besonders beim großen Meeting wirklich alle bis hin zum Werkstudierenden zusammenzubringen, war für alle toll.